Für die Dauer von fast zwei Stunden gehen die Uhren anders in der Oper „Wozzeck“ – die Zeit bleibt stehen. Nicht nur diesen Aspekt hat der Regisseur Stefan Herheim klug, einfallsreich und präzise in Szene gesetzt. Die Uhr über allen Köpfen schmilzt, verschwindet, wird zum Mond und wieder zum Zeitmesser. Mauern lösen sich auf und drehen sich im Kreis. So auch die Zeit. Wir als Publikum werden immer wieder angeleuchtet und somit hineingezogen in den klaustrophobisch anmutenden Raum der Todeszelle: Auch wir sind „arme Leut“ und an diesem Abend Zeuge menschlicher Abgründe, verstörender Szenen in diesem Stück.
Staunend macht mich der atonale Sprechgesang, der unglaublich schwierig vertonte Text, den die Sänger zu bewältigen haben. Subtil trägt und verstärkt die Musik Alban Bergs das Geschehen – ich bin emotional gepackt, auch wenn ich einiges nicht verstehe. Das Schlussbild – alle Akteuren auf der Bühne blicken stumm ins Publikum – es lässt mich schaudern. Und aufatmen. Eine Aufführung, die mein gängiges Bild von Oper und meine Hörgewohnheiten sprengt. Dennoch empfinde ich diesen „Wozzeck“ als Gesamtkunstwerk, als großartige Symbiose von Regie, Orchester, Bühnenbild und Licht.
Hilli Hassemer
Bildende Künstlerin
Die Malerin Hilli Hassemer lebt und arbeitet seit 20 Jahren in Düsseldorf. Damals noch fremd in der Stadt und mit einem „Hardcorde-Wagnerfan“ befreundet, wurde die Oper unverhofft Dreh- und Angelpunkt ihres neuen Lebens. Jetzt will sie sich wieder intensiver mit Oper und Ballett befassen – genau hinschauen, zuhören, das Erlebte beschreiben. Sie sagt: „Es ist schön, wenn man sich selbst und seiner Meinung vertraut.“